Am 3. April 2025 hat das EU-Parlament für den „Stop the Clock“-Vorschlag votiert. Damit gibt es nun grünes Licht für einen Aufschub der verpflichtenden Nachhaltigkeits-Berichterstattung (CSRD) um zwei Jahre.
Dieser in den letzten Wochen viel diskutierte Teil des „Omnibus“-Vorschlags ist also jetzt beschlossene Sache. Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden heißt das: Sie haben mehr Zeit für die Umsetzung des verpflichtenden Reportings. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.
Soziale und ökologische Nachhaltigkeit ist bereits in vielen Unternehmen strategisch verankert. Und dieser Umstand zeigt auch schon positive Auswirkungen auf kleinere und mittlere Unternehmen in der Lieferkette. Wie agieren diese kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs)? Etliche von ihnen übernehmen schon heute aus Überzeugung Verantwortung für ökologische, soziale und Führungs-Themen und berichten auch darüber. Was oft fehlt, ist eine einheitliche und vergleichbare Struktur dieser Berichterstattung.
VSME: Freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMUs
Um kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) bei der freiwilligen ESG-Berichterstattung zu unterstützen, hat die Europäische Kommission im Dezember 2024 den VSME-Standard (Voluntary Sustainability Standard for Non-Listed Micro, Small and Medium Enterprises) veröffentlicht.
Diese schlanke Lösung gewinnt im Zuge des „Omnibus“-Vorschlags weiter an Bedeutung. Sie bietet einen niedrigschwelligen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung und ist speziell auf die Bedürfnisse von KMUs abgestimmt.
Der Standard umfasst zwei Module:
- ein verpflichtendes Basis-Modul mit maximal 105 Datenpunkten
- ein optional ergänzendes Modul mit weiteren 82 Datenpunkten
Der VSME erlaubt es Unternehmen, den Umfang ihrer Berichterstattung an ihre Größe und Zielsetzung anzupassen.
Eine Wesentlichkeitsanalyse ist nicht verpflichtend. Sie kann jedoch Mehrwert bringen – etwa durch den Fokus auf relevante Themen, die Einbindung zentraler Stakeholder:innen und einen 360-Grad-Blick auf Wirkungen, Chancen und Risiken. Ob dieser Schritt gesetzt wird, bleibt dem Unternehmen überlassen. Die notwendige Stakeholderkommunikation – insbesondere mit den Mitarbeitenden – kann durch eine Great Place To Work®-Mitarbeitendenbefragung unterstützt werden.
Warum KMUs vom ESG-Reporting nach VSME profitieren
Für viele KMUs bietet der VSME-Standard einen praktischen Einstieg ins ESG-Reporting. Er hilft dabei,
- ESG-Daten strukturiert für Banken, Großkunden und Geschäftspartner bereitzustellen und
- mit einem transparenten Bericht das Vertrauen von Kund:innen und potenziellen Mitarbeitenden zu stärken.
Damit ist das Reporting nicht nur eine Formalität, sondern ein strategischer Schritt für die Zukunftsfähigkeit und langfristige Marktpositionierung. Sobald ein erster Status quo in Sachen ESG erhoben wurde, lassen sich wichtige Maßnahmen – etwa eine CO₂-Bilanz – gezielt planen und umsetzen.
Unterschiedliche Startpunkte – gemeinsames Ziel
Nicht alle Unternehmen starten vom selben Punkt. Drei Ausgangssituationen lassen sich unterscheiden:
- Einige KMUs stehen noch ganz am Anfang und suchen einen klaren Einstieg ins ESG-Reporting.
- Andere – etwa von Great Place To Work ausgezeichnete Betriebe wie die Best Workplaces™ in Social Sustainability – haben bereits umfassende Erfahrung mit sozialer Nachhaltigkeit. Sie können auf quantitative und qualitative Daten ihrer Mitarbeitenden zurückgreifen.
- Eine dritte Gruppe ist auf allen Ebenen schon länger aktiv. Sie setzt auf vertiefte Berichterstattung und werteorientierte Entwicklung, etwa mit einer Gemeinwohl-Bilanz.
Alle diese Unternehmen eint der Wunsch nach Klarheit: Wo stehen wir? Was ist der nächste Schritt?
Praxisbeispiel: Mit Klarheit in die ESG-Zukunft
Ein Familienunternehmen mit 200 Mitarbeitenden verfolgt seit Jahren eine konsequente Strategie sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit – freiwillig und aus Überzeugung. Als ein Großkunde eine standardisierte ESG-Berichterstattung verlangte, suchte die Unternehmerin nach einer geeigneten Lösung. Gleichzeitig wollte sie das bisherige Engagement weiterführen. Die ideale Vorgangsweise war jedoch unklar.
Statt die Entscheidung allein zu treffen, lud sie den Führungskreis zu einem eintägigen ESG-Orientierungsworkshop ein – extern begleitet und bewusst partizipativ.
ESG-Orientierungsworkshop: Einstieg mit System
Zu Beginn des Workshops wurde das Unternehmen mit der ESG-Treppe vertraut gemacht – einem Modell, das die Ambitionen in Sachen Nachhaltigkeit in Stufen darstellt. Rasch war klar: Der VSME-Standard (Basis-Modul) war der passende Einstieg. Gleichzeitig wurde deutlich, wie das Unternehmen sich Schritt für Schritt weiterentwickeln kann.
Im weiteren Verlauf arbeitete das Team in Kleingruppen an relevanten ESG-Themen. Es analysierte Wirkungen, Risiken und Chancen und erkannte: Wo ist das Unternehmen bereits gut aufgestellt? Wo gibt es noch weiße Flecken? Welchen Impact hat das?
Nach intensiven Gesprächen mit den Berater:innen entstand ein grober Projektplan. Durch den aktiven Austausch gewann das Team Sicherheit. Es wurde sichtbar, welches Nachhaltigkeits-Potenzial bereits vorhanden war – und wie es sich weiterentwickeln lässt.
Workshop-Ergebnisse: ESG-Reporting mit Perspektive
Der Workshop brachte für die Teilnehmenden Klarheit auf vielen Ebenen:
- Vertretbarer Aufwand: Der niederschwellige Einstieg mit dem VSME-Basis-Modul war neben dem Tagesgeschäft gut umsetzbar. Die Mitarbeitenden fühlten sich nicht überfordert.
- Kein Bürokratiemonster: Das standardisierte ESG-Reporting war keine bloße Pflichterfüllung, sondern eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition in die Zukunft.
- Digitale Unterstützung: Für die elektronische Berichterstattung gab es eine erprobte und kostengünstige IT-Lösung. Das Unternehmen konnte dabei auf Daten von bisherigen Nachhaltigkeits-Zertifizierungen zurückgreifen.
- Gemeinsamer Kompass: Der gemeinsam erarbeitete Projektplan gab Orientierung und Sicherheit auf dem weiteren Weg. Die Option einer Gemeinwohl-Bilanz eröffnete Perspektiven für eine weiterführende werteorientierte Entwicklung.
- Im Team unterwegs: Anfängliche Bedenken von Teilnehmenden wurden ausgeräumt. Der Führungskreis war mit im Boot und wusste, wo die Reise hinging. Die Berater:innen standen im weiteren Prozess mit Rat und Tat zur Seite.
Fazit: Mit VSME die Basis für ESG-Entwicklung legen
Das Praxisbeispiel zeigt: Schon ein eintägiger ESG-Workshop kann viel bewegen. Durch klare Orientierung, den Einbezug des Führungskreises und eine erste Projektskizze entsteht ein tragfähiger Startpunkt für ESG-Reporting und werteorientierte Entwicklung.
Auch kleinere Unternehmen können sich – etwa durch eine Great Place To Work®-Mitarbeitendenbefragung und entsprechende Auszeichnungen – frühzeitig auf zukünftige Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten.
Zur Autorin
Dr. Isabella Klien, Organisationsentwicklerin und Nachhaltigkeits-Expertin bei humanistic transformations, begleitet Unternehmen in der Erstellung der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichte. Mit dem ESG-Orientierungsworkshop unterstützt sie Organisationen dabei, eine maßgeschneiderte Vorgehensweise für ihre ESG-Berichterstattung zu entwickeln.